Johnson & Johnson Plötzlich ungeimpft

Veröffentlicht am 26.01.2022 | Lesedauer: 4 Minuten

Von Benjamin Stibi

Über Nacht verloren mit Johnson & Johnson Geimpfte ihren Impfstatus und damit den Zugang zu 2G-Bereichen. Sowohl Betroffene als auch der Impfstoffhersteller haben mit dieser politischen Entscheidung schwer zu kämpfen. Quelle: REUTERS

Sebastian Schmitz wollte es einfach hinter sich bringen. Widerwillig hatte sich der 28-jährige Student im September vergangenen Jahres mit Johnson & Johnson impfen lassen. Schließlich galten an den bayerischen Hochschulen 3G-Zugangsbeschränkungen, aber die kostenlosen Schnelltests sollten abgeschafft werden. Täglich einen Test zu bezahlen, um Vorlesungen besuchen zu dürfen - das hätte sich Schmitz nicht leisten können.

Die Impfung ging für ihn jedoch nicht glimpflich aus: Zehn Stunden danach bekam er Fieber und fühlte sich berauscht "wie auf einer Überdosis Kaffee". Plötzlich traten am ganzen Körper unkontrollierbare Muskelzuckungen auf. Er konnte nicht mehr laufen, nichts mehr greifen, nicht mal mehr um Hilfe schreien oder einen Notruf absetzen. Atemnot setzte ein und schließlich verlor er das Bewusstsein: "Ich hatte Todesangst."

Mitten in der Nacht, so erzählt er, wachte er schweißgebadet wieder auf. Erst nach drei Tagen gingen weitere Beschwerden wie Taubheitsgefühle und ein gestörtes Temperaturempfinden vorbei. Schmitz ist kein Impfgegner - er ist gegen sonst alles geimpft. Es war das erste Mal, dass bei ihm nach einer Impfung solche Nebenwirkungen auftraten.

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Gedanklich hatte er mit dem Vorfall abgeschlossen, bis ihm vergangene Woche plötzlich sein Impfstatus entzogen wurde. Bundestag und Bundesrat hatten einer Verordnungsänderung des Bundesgesundheitsministeriums zugestimmt, wonach künftig das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Webseite entscheiden sollte, wer in Deutschland als "geimpft" gilt. Schon wenige Stunden nach Ende des parlamentarischen Vorgangs nahm es die erste Änderung vor: Die bisherige Ausnahme, dass bei Johnson & Johnson im Gegensatz zu anderen Impfstoffen eine einmalige Dosis für die Grundimmunisierung ausreichen würde, wurde gestrichen.

Da die bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung auf die geänderte Bundesverordnung verweist, hatte dieser Schritt unmittelbare Auswirkungen für die Betroffenen im Freistaat: Sie galten fortan nicht mehr als "geimpft" und hatten somit keinen Zutritt mehr zu 2G-Bereichen - etwa den Hochschulen. Viele von ihnen wurden aber erst Tage später über diese Änderung informiert.

Das Gefühl der Benachteiligung

Als Schmitz von der Neuregelung erfuhr, fühlte er sich hilflos, frustriert und betrogen - auch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der für Johnson & Johnson geworben hatte: nur einmal impfen lassen, dann sei es vorbei. Stattdessen sind mit Johnson & Johnson Geimpfte nun besonders benachteiligt: Sie brauchen zunächst eine mRNA-Impfung und müssen anschließend 14 Tage abwarten, bevor sie im rechtlichen Sinne wieder geimpft sind.

"Aber wer garantiert mir, dass 2G nicht bald nur noch für Geboosterte gilt?", fragt Schmitz. Wenn die Erstimpfung mit Johnson & Johnson erfolgt ist, soll laut aktualisierter Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) vom 20. Januar frühestens drei Monate nach der Zweitimpfung geboostert werden. Bis dahin wäre Schmitz also wieder vom öffentlichen Leben ausgeschlossen - und das mitten in der Masterarbeit. Sollte er dann vor die Tür gesetzt werden, dann befürchtet er, sich beruflich gleich komplett umorientieren zu müssen.

Auch Impfstoffhersteller Janssen (Johnson & Johnson) zeigt sich von der Neuregelung überrascht: "Wir bedauern, dass es für viele Menschen in Deutschland, die mit dem Covid-19-Impfstoff von Janssen geimpft wurden, jetzt zu Irritationen gekommen ist. Die Entscheidung des Paul-Ehrlich-Instituts kommt für uns insofern unerwartet, da nach unserer Auffassung ein solches Vorgehen den Zulassungsbestimmungen der Europäischen Arzneimittel-Agentur, die EU-weit Gültigkeit haben, widerspricht." Man sei im Dialog mit den zuständigen Behörden, um die Beweggründe zu verstehen.

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Schmitz ging es direkt nach seiner Erstimpfung so schlecht, dass er sich nicht medizinisch untersuchen lassen konnte. Als die Symptome abgeklungen waren, wollte er die Sache nur noch vergessen. Er vertraute darauf, dass sein Impfstatus halten würde. Nachdem der Vorfall nicht dokumentiert wurde, kann ihm nun keine Impfunfähigkeit bescheinigt werden. Ein Arzt, den er im Nachhinein konsultiert hat, vermutet, dass die schweren Nebenwirkungen auf eine Überreaktion des Immunsystems zurückzuführen sind. Er kann nicht ausschließen, dass eine erneute Impfung wieder zu Komplikationen führt.

Schmitz steht jetzt vor der Wahl: sich trotz panischer Angst vor einer Wiederholung des Vorfalls noch ein- oder sogar zweimal impfen zu lassen oder sein Studium vorerst nicht abschließen zu können. Wie er sich entscheidet, ist noch unklar.


Quelle: welt.de